Integration neu denken
An einem schönen Julitag wurde ich in Agnibilekrou an der Elfenbeinküste geboren, Krou heißt Dorf oder Stadt. Dort spricht man insgesamt 79 Sprachen und Idiome, die Amtssprache ist Französisch.
Wenn wir über Lebenswege und Integration sprechen, müssen wir über die Frage reden, was bedeutet eigentlich Integration?
Vor ungefähr 11 Jahren habe ich den Weg nach Deutschland als Geflüchteter gefunden. Es ist inzwischen viel passiert. Ich glaube, viel geschafft zu haben. Ich habe die deutsche Sprache gelernt, ich habe studiert und arbeite seit ein paar Jahren hier. Trotzdem frage ich mich, ob ich das geschafft habe, was die Öffentlichkeit allgemein unter ‚Integration‘ versteht. Für mich hatte ich das Gefühl, gut angekommen zu sein, zumindest im schönen Oldenburg in Niedersachsen. Mir waren alle Strukturen der Region vertraut, ich konnte überall Fuß fassen. Alles, was ich brauchte, war einfach zu organisieren, da ich sehr gut vernetzt war. So war es mir auch möglich, vielen anderen Menschen zu helfen.
Von Deutschland nach Deutschland: Ein Neuanfang
Anfang 2021 entschied ich aus familiären Gründen Oldenburg zu verlassen und meinen neuen Lebensmittelpunkt in der Nähe von Berlin zu gründen. Die Jobsuche war recht schnell erledigt. So zog ich Anfang Februar ins schöne Panketal. Heute, nach fast einem Jahr hier merke ich, wie schwer es tatsächlich ist, anzukommen. Alles was in Oldenburg inzwischen für mich selbstverständlich war, muss hier neu erkämpft werden. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung bleibt eine Herausforderung, da alle Ärzt:innen zur Zeit keine Kapazitäten mehr haben. Der Kontakt zu der Nachbarschaft und das Ankommen im Allgemeinen bleibt, trotz guter Sprachkenntnisse und einem deutschen Pass in der Tasche, nicht selbstverständlich. Das hängt meiner Meinung nach mit der Gesellschaftsstruktur und dem Grad der Urbanisierung des jeweiligen Ortes, in meinem Beispiel Panketal, zusammen.
Damit möchte ich sagen….
lasst uns Migration und Integration als gemeinsame Aufgabe neu denken. Wenn „Integration“ als Chance für die tatsächliche Teilhabe gedacht ist, wenn Teilhabe in allen Bereichen – am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben für alle Menschen – ermöglicht werden soll, dann betrifft das alle Menschen in der Gesellschaft. Integration wäre, so gedacht, nicht nur an nicht-deutsche Nationalitäten geknüpft. Auch innerstaatliche Migration muss in die Überlegungen einbezogen werden. Menschen, die beispielsweise von München nach Frankfurt (Oder) umziehen, müssen sich, wie bei mir, in der neuen Region zurechtfinden. Und genauso gilt das für Menschen aus Frankreich oder Simbabwe, die in ein neues Land kommen.
Es gibt eben viele verschiedene Lebenswege. Sprache ist zwar eine gute Voraussetzung, aber Sprache ist nicht alles. Das Gefühl, willkommen zu sein, sowie der Zugang zu Partizipationsmöglichkeiten müssen gegeben sein. Zudem sollte „Integration“ nicht nur eine Erwartung sein, sondern eine Kooperation. Ankommen und gutes Zusammenleben schaffen wir nur zusammen.
Elisa Karberg