Integration ist eine Aufgabe
„Es ist schwer sich zu integrieren“, fasst Anastasia Suvorov, Jahrgang 1981,
rückblickend zusammen. Schwer, das heißt aber dennoch möglich. Sie hat selbst den Beweis geführt.
„Die ersten Jahre habe ich es fast gar nicht geschafft“, erinnert sich die aus dem russischen Nowosibirsk stammende Musikerin. Sie ist mit ihren Angehörigen 1999 nach Deutschland gekommen. Die Großmutter, eine Russlanddeutsche, hatte einen Antrag auf Aussiedlung gestellt, dem entsprochen wurde.
„Großmutter wollte bessere Chancen für uns im Leben“,
erklärt Anastasia Suvorov. Zu einfach und verlockend sei es allerdings, so Anastasia, sich hier in die eigenen, russischen Kreise zurückzuziehen, russisch statt deutsch zu sprechen und unter sich zu bleiben, beschreibt sie. Da genüge auch die Musik als potentiell verbindendes Element nicht.
Man müsse die alten Verbindungen grundsätzlich kappen und sich auf das neue Land, die neue Umgebung und neue Menschen einlassen, ist sie überzeugt. Ein ganz wichtiger Gesichtspunkt ist vor diesem Hintergrund natürlich das Erlernen der deutschen Sprache. Die Reise führte die Familie zunächst nach Schwedt und dann nach Eberswalde.
Hindernisse und widrige Bedingungen gäbe es allerdings auch für den, der sich integrieren möchte,
weiß sie zu berichten. So sei es beispielsweise häufig ohne Belang, welche berufliche Vorbildung jemand habe. Oftmals werde einem einfach nahegelegt, alle möglichen Beschäftigungen anzunehmen, erklärt sie. Man könne auf diese Weise auch die Menschen guten Willens moralisch demontieren, weiß Anastasia Suvorov. „Daher wurde mir schnell klar, dass ich ohne einen entsprechenden Berufsabschluss hier nie richtig Fuß fassen werde“, so ihre Schlussfolgerung. Das hieß also für eine Zeit wieder zurück nach Nowosibirsk zu gehen und das ausgesetzte Studium der Klavierpädagogik zu beenden, was Anastasia Suvorov dann im Jahre 2000 auch tat.
Im Folgejahr 2001 ging es nach Schwedt zurück. Dort fand sie Arbeit an der Staatlichen Musikschule und den Uckermärkischen Bühnen. 2002 zog Anastasia Suvorov gemeinsam mit ihrem Mann, einem gelernten Flugzeugbauer, nach Eberswalde. Das Paar hat zwei Kinder. Einen 17-jährigen Sohn und eine 14-jährige Tochter. „Ich habe dann in Eberswalde erst mal privaten Klavierunterricht gegeben und in einem Restaurant gespielt“, erzählt Anastasia. Einige Jahre später hat sie zudem in Bernau eine weitere Ausbildung zur Erzieherin absolviert. In der Folge war Anastasia Suvorov an der Oberbarnimschule und der Kinderakademie als Musiklehrerin in den Klassen 7 bis 10 tätig. Sie leitete zudem drei Jahre lang den Eberswalder Männerchor „Franz Mücke“.
Durch die Begegnung mit Pfarrer Ulf Haberkorn während einer Ausstellungseröffnung in Finowfurt, die sie musikalisch begleitete, wurde sie inspiriert, sich mit der Thematik Kirchenmusik und Orgelspiel auseinanderzusetzen. „Warum spielst du nicht bei uns die Orgel?“, habe er sie gefragt, erinnert sich Anastasia Suvorov. Das war der Auslöser. Seit 2018 studiert sie nun an der Berliner Universität der Künste Kirchenmusik. In Pfarrer Haberkorns Pfarrsprengel, zu dem auch Lichterfelde gehört, übt sie eine Teilzeitstelle als Kantorin aus, die nach dem Studienabschluss erweitert werden soll. Das wird voraussichtlich im Jahre 2022 sein.
Das Ankommen in einem neuen Land sei schwierig,
fasst sie zusammen. Grundsätzlich sei man ihr in Deutschland stets freundlich begegnet. Auch die Musik habe dazu einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet, wenngleich das allein nicht ausreiche, betont sie. Die Kenntnis und das Beherrschen der Landessprache sei eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, hebt sie hervor. Sonst folge schnell Ausgrenzung und Frustration. Für neue Ankömmlinge, woher auch immer, erhofft sie sich eine Motivation und ein entsprechendes psychologisches Coaching. „Dann sind die Menschen gewillt das Beste aus sich herauszuholen“, glaubt sie. Die Flucht oder der Umzug in ein fremdes Land stelle für jeden eine schwere Belastung dar, ist sie überzeugt. Das bedürfe in jedem Falle einer Unterstützung von vielen Seiten.
Matthias Wagner