Hossein Ghorbani

Lehren, Lernen, Leben in Deutschland

Ich bin 22 Jahre alt und komme aus dem Iran, genauer gesagt aus Schiraz, dass früher mal Persepolis hieß. Schiraz ist weltweit bekannt für seinen Wein aus der Region. Mit meinem Bruder habe ich dort auch Wein angebaut, bevor ich vor drei Jahren nach Deutschland geflohen bin. Das war eines meiner Hobbys – neben dem Motorradfahren, Schwimmen und Bergsteigen.

Eine schwierige Entscheidung

Ich habe im Iran mein Abitur beendet und mich dann dazu entschlossen, das Land zu verlassen. Es war eine schwere Entscheidung, weil ich meine Familie zurücklassen musste. Aber es war die richtige Entscheidung. Der Zwang, ein guter Muslim zu sein und alle islamischen Regeln in der Schule zu beachten, das wurde mir zu viel. Ich möchte nichts mehr vorspielen müssen. Dass es diesen Zwang in Deutschland nicht gibt, ist eine große Erleichterung für mich. In Deutschland hat man viele Freiheiten und Möglichkeiten. Das ist es, was mir an Deutschland so gut gefällt. Aber man selbst trägt gleichzeitig eine hohe Verantwortung, etwas aus den Möglichkeiten zu machen. Und es gibt eine Menge Voraussetzungen zu erfüllen, wenn man etwas erreichen will. Zum Beispiel muss die Sprache sehr gut sein, um eine gute Ausbildung zu finden. Das ist der nächste Schritt. Ich habe schon alle Schritte im Kopf, die ich gehen will. Es ist alles geplant. Jetzt muss ich durchhalten und weitermachen.

Es fehlt der Kontakt zu den Einheimischen

Ich wohne jetzt in einem Wohnheim in Wandlitz und teile mir ein Zimmer mit einem anderen Bewohner. Seit einem Jahr arbeite ich in einem Supermarkt in Wandlitz. Das ist eine gute Möglichkeit, um Geld zu verdienen, die deutsche Sprache zu verbessern und mehr Kontakt zu den Menschen in der Gemeinde aufzubauen. Das wünsche ich mir auch für die nächste Zeit: mehr Kontakt zu den Einheimischen zu bekommen. Im Wohnheim und auch außerhalb des Heims habe ich schon Freunde. Einheimische sind aber nicht dabei. Woran das liegt, weiß ich nicht genau. Vielleicht ist hier jeder so sehr mit sich selbst beschäftigt. Und durch Corona ist es noch schwieriger geworden.

Das Wort Blume auf einem Sonnenblumenfoto gepostet

Erst die Sprache lernen, dann eine Ausbildung machen

Den Job in Wandlitz habe ich einem ehrenamtlichen Helfer zu verdanken, der sich dort für mich eingesetzt hat. Ich habe ihn bei einem Sprachkurs im Wohnheim kennengelernt, noch bevor mir ein Integrationskurs angeboten wurde. Mit dem Erlernen der deutschen Sprache komme ich gut voran. Ich habe gerade meinen B2-Online-Kurs bestanden. Die Sprache ist hier die größte Herausforderung. Wenn die Sprache klappt, dann klappt auch alles andere. Ich bin auf einem guten Weg, aber es gibt auch noch viel zu tun. Mein nächstes großes Ziel ist es, im Frühling meine Ausbildung im medizinischen Bereich zu beginnen. Aktuell helfe ich ehrenamtlich im Wohnheim, Geflüchtete zu unterrichten.

Heimweh

Natürlich habe ich auch Heimweh und vermisse meine Familie. In den Iran zurückgehen kann ich aber nicht. Um meine Familie zu sehen, müssten wir uns in einem Nachbarland des Iran treffen. Das ist schon verrückt. Erst wenn es im Iran einen Regimewechsel gibt, kann ich darauf hoffen, die Weinberge von Schiraz wiederzusehen oder die Berge rund um meine Heimatstadt wieder zu besteigen.

Sven Lutherdt