Thi Bich Ngoc Nguyen

Heimat ist da, wo man sich zu Hause fühlt

Mein Name ist Thi Bich Ngoc Nguyen. Nguyen ist der Familienname, Thi steht dafür, dass ich weiblich bin und Bich Ngoc bedeutet so viel wie türkisfarbener (Ngoc) Juwel, Edelstein oder Perle (Bich). Ich komme aus Vietnam, genauer gesagt aus Thanh Hóa, am Südchinesischen Meer und habe einen langen Weg hinter mir.

Die vietnamesische Sprache ist schön

Mein Vater starb mit nur 42 Jahren an Krebs und meine Mutter war mit uns vier Kindern allein. Meine zwei Schwestern Hồng Vân *1979 („Rosa Wolke“), Thu Trang *1987 („Intelligenter Herbst“) und meine Tante leben in Berlin, während mein Bruder bei meiner Mutter in Vietnam ist. Dort war ich schon seit über 10 Jahren nicht mehr. Mit meinem Partner Thomas habe ich zwei Kinder, denen wir deutsche, aber auch vietnamesische Namen gegeben haben: Nico Ky Linh (3) und Lena Truc Linh (5). Die vietnamesische Sprache finde ich wunderschön.

Oft fragen mich meine Kinder, wie es in Vietnam ist und dann überkommt mich ein großes Heimweh. Ich singe ihnen dann das Lied Quê hương (Heimat) vor und übersetze ihnen den Text „Heimat ist wie Sternfruchtbäume, auf denen ich jeden Tag kletterte und die süßen Früchte (Karambola) pflückte. Heimat ist der Schulweg, an welchem die gelben Schmetterlinge entlang flatterten. Heimat ist der Papierdrachen, mit dem ich in der Hand durch die Felder rannte. Heimat ist ein kleines Boot, welches die Menschen sanft schaukelnd über den Fluss setzte. Heimat ist eine kleine Bambusbrücke, die uns zurück zu unserer Mama brachte, mit dem konischen Reishut (Nón lá) auf dem Kopf. Heimat ist eine klare Mondnacht, als die Palmenblüten die Veranda weiß bedeckten…“.

Das beste aus der neuen und der alten Heimat verbinden

An meiner neuen Heimat Deutschland gefallen mir besonders die vier Jahreszeiten. Ich war so fasziniert, als ich das erste Mal Schnee sah und ihn anfassen konnte. Die Schneeflocken sehen wirklich aus wie Eisblumen, wunderschön. Jede Jahreszeit hat was Besonderes und es gibt viele Anlässe das ganze Jahr über zu feiern. Wenn ein vietnamesisches Fest ansteht, wie das TET-Fest (Tết Nguyên Đán, „Fest des Ersten Morgens“), dann wird bei uns viel gekocht und die ganze Familie kommt zusammen.

 

Das ist genauso schön wie Weihnachten oder Ostern hier in Deutschland, einfach weil sich die Familie Zeit füreinander nimmt. In Huế, einst der Sitz der Kaiser der Nguyen-Dynastie, absolvierte ich meine Ausbildung zur Köchin an einer Berufsschule.

Ich koche sehr gern, auch deutsches Essen. Meine Schwiegermama hat mir viele deutsche Gerichte beigebracht. Am liebsten esse ich, glaube ich, Königsberger Klopse, Kassler mit Sauerkraut und Rinderrouladen mit Rotkohl.

In Vietnam kann man viel Streetfood essen, das würde ich mir auch in Deutschland wünschen – und Karaoke. Dann kann ich mein Lied laut singen: „Jeder hat nur eine Heimat, so wie jeder nur eine Mutter haben kann. Wer sich nicht an seine Heimat und Mutter erinnert, der ist unvollständig…“. Denn Heimat ist auch da, wo man sich zu Hause fühlt.

Elisa Karberg